Als ein rheinländischer Modekonzern 2022 seiner Vertriebsleiterin testweise ermöglichte, eine Workation-Woche in einem Club auf einer Paradiesinsel zu erleben und das Wifi die meiste Zeit streikte, hielt sich die Begeisterung für die neue Arbeits-Reise-Form auf allen Seiten in Grenzen. Viel bessere Erfahrungen machte dagegen ein norddeutscher Energiegroßhändler mit zwei Mitarbeiterinnen, die drei Monate in Südamerika unterwegs waren. Morgens arbeiteten sie via Videocalls und Mails mit dem Team zuhause, nachmittags unternahmen sie Ausflüge. Und eine Münchner PR-Agentur schickte im letzten Sommer ihr Team sechs Wochen lang auf eine Finca nach Mallorca: Jede Woche reisten zehn andere Kollegen an und wieder ab, alle arbeiteten tagsüber und unternahmen danach Inselausflüge. Das Experiment wurde zu einem Jahres-Highlight für die Agentur. Die gewachsene Motivation hielt lange an.
Vor allem die Gen Y wünscht sich derzeit Workation-Optionen von ihrem Arbeitgeber. Wer eine neue Stelle sucht, möchte diesen Benefit – das ist für über 80% in der Altersgruppe (sehr) wichtig, so eine PwC-Studie. Auch die Gen Z wird künftig mindestens ebenso viele Workations anfragen, glaubt WorkFlex, ein Unternehmen, das Arbeitgeber bei Workation-Systemen und -Anträgen unterstützt. Hinzu kommen internationale Fachkräfte, die oftmals ihre Heimat besuchen wollen. Sie beantragen laut WorkFlex doppelt so oft Workation-Reisen wie inländische Mitarbeiter. Besonders Firmen mit vielen internationalen Mitarbeitern sollten daher Workation-Angebote als wichtiges Recruiting- und Bindungsinstrument einsetzen.
Rund 120 Unternehmen konnte allein WorkFlex im Sommer 2023 mit jährlichen Work-from-Anywhere-Tagen auflisten. Manche wie die Commerzbank bieten zehn Tage an, andere wie die IU Internationale Hochschule bis zu 180. Die meisten, zum Beispiel SAP, Deutsche Bahn, Aldi Süd und Zalando, erlauben offiziell 30 Tage im Jahr und 57% der 120 Firmen nur in der EU. Das vor allem, weil dies mit Compliance-, Steuer- und Sozialversicherungsregeln etc. derzeit am besten vereinbar ist.
Laut VDR-Geschäftsreiseanalyse 2024 gestatten inzwischen 100% der Unternehmen in Deutschland ihren Mitarbeitern mindestens teilweise die Arbeit im Homeoffice und im Inland. Über 75% erlauben bzw. planen Workation-Optionen auch fürs Ausland. Und 43% der Unternehmen haben schon das Thema Workation umgesetzt, während es ein Drittel plant. Der Geschäftsreiseverband VDR engagiert sich deshalb bei den Workation- und Bleisure-Themen „nicht aus Selbstzweck“, wie der VDR-Hauptgeschäftsführer Jens Schließmann betont„ „sondern wir unterstützen die Unternehmen dabei, sich in den Regularien zurechtzufinden und sich über Best Practices dem Thema annähern zu können“.
Auch Lufthansa City Center (LCC) ist mit seinen über 580 Reisebüros in 105 Ländern bereits seit längerem engagiert bei Bleisure und Workation. Dabei herrsche im klassischen Mittelstand und den globalen Unternehmen immer noch „recht viel Regulierung sowie organisatorische Hindernisse, die dem Modell hier und da entgegenstehen“, sagt der LCC Managing Director Markus Orth. „Bedienen könnten wir es sehr gut, denn wir haben neben den Geschäftsreiseeinheiten sehr professionelle Touristikbüros, die tolle Kombinationen für Workation bauen können.“ Noch dazu könne man für touristische Buchungen als einziges Reisebüro in Deutschland Meilen bei Miles & More sammeln.
Das Angebot bei den Hotel-, Apartment- und Coworking-Anbietern wächst derweil deutlich. Ob kleines Coworkation-Retreat in einem umgebauten Bauernhof wie D’Kammer im Allgäu, Bleisure-Tagungs-Locations wie das neugebaute 360° Teamgeist Resort bei Berlin oder das Großprojekt InnHub im schweizerischen La Punt – der Markt zeigt zunehmend Vielfalt, weil idealerweise die Nachfrage da ist, nicht umgekehrt.
Autorin: Sylvie Konzack
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